Start Business Reich ist die Schweiz nicht wegen des Geldes

Reich ist die Schweiz nicht wegen des Geldes

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Zürich ist die Metropole der Banken
Zürich ist nicht die Hauptstadt der Schweiz, aber die Metropole der Banken und der Finanzinstitute. Hier am Limmat wird das große Geld verdient (Foto: Zürich Tourismus)

Zürich ist die Metropole der Banken
Zürich ist zwar nicht die Hauptstadt der Schweiz, aber die Metropole der Banken und Finanzinstitute. Hier am Limmat wird das große Geld verdient. Aber der Reichtum der Schweiz hat auch andere Facetten und Ursachen (Foto: Zürich Tourismus)
Die Schweiz ist ein reiches Land. Mit gut 50 000 US-Dollar ist das Bruttoinlandprodukt pro Kopf das dritthöchste der Welt. Das durchschnittliche Vermögen liegt bei 375 000 US-Dollar, höher als in jedem anderen Land. 9,5 Prozent der Bevölkerung besitzen mehr als 1 Million Dollar Vermögen; höher ist dieser Anteil nur in Singapur, Kuwait und Katar. Auf Schweizer Banken dürfte mit rund 2 250 Milliarden Dollar mehr als ein Viertel der verwalteten Privatvermögen weltweit liegen.

Reich wurde die Schweiz bis zum Ersten Weltkrieg vor allem dank der Realwirtschaft, lange bevor Steuerflucht eine Rolle spielte. Und der wahre Reichtum der Schweiz liegt nicht allein und auch nicht hauptsächlich im privaten Geldreichtum.

Was die Schweiz zum auffällig reichen Land macht, sind viel eher jene Faktoren, die die Weltbank- Studie „Where is the Wealth of Nations?“ als immaterielles Kapital (Bildung, politische Führung, Behördenqualität, Rechtssystem) bezeichnet und neben das natürliche (Landschaft, Rohstoffe) und das produzierte Kapital (Anlagen, Gebäude, Infrastruktur) stellt.

Schweizer Münzen
Schweizer Münzen
Die Autoren der Weltbank-Studie errechneten 2006 für die Schweiz unter Einbezug aller drei Arten von Kapital ein Pro-Kopf- Vermögen von rund 700 000 Franken. Damit führte die Schweiz die Rangliste mit großem Abstand an, vor Dänemark, Schweden, den USA und Deutschland.

Das immaterielle Kapital macht rund 80 Prozent aus. Es besteht nicht zuletzt in der Fähigkeit, die permanente Herausforderung der sprachlichen, kulturellen und religiösen Vielfalt auf engstem Raum zu bewältigen und aus ihr einen Reichtum zu machen.

Vieles hat zur sozialen Kohäsion beigetragen, die in der Schweiz lange Zeit stärker war als in den umliegenden Ländern: die allgemeine Wehrpflicht; das Milizsystem in weiten Teilen des politischen und gesellschaftlichen Lebens; das duale Bildungssystem mit mindestens zwei Wegen nach oben; die ob der Vielfalt geradezu überlebensnotwendige Bereitschaft zum Kompromiss und eine deutlich gleichmäßigere Verteilung der Einkommen (vor staatlicher Umverteilung) als beispielsweise in Schweden.

Wo die Demokratie zur Tradition gehört:
Urform der Schweizer Basisdemokratie: die jährlich stattfindende Landsgemeinde im Kanton Glarus. Hierbei stehen die Stimmberechtigten im „Ring“. Neben Glarus kennt heute nur noch der Kanton Appenzell Innerrhoden diese Form der Demokratie (Foto: Marc-Schlumpf, www.icarus-design.ch, Wiki Commons)
Der größte Reichtum der Schweiz bleibt das genossenschaftliche Staatsverständnis.

Der dezentrale Staatsaufbau mit Gemeindeautonomie und Föderalismus führt zu großer Bürgernähe und hoher Identifikation mit dem Staat; die direkte Demokratie ist Ausdruck eines Staates, der von unten nach oben aufgebaut ist und im Dienste der Bürgerinnen und Bürger steht.

Schweizer Pass
Begehrt: Schweizer Pass
Paradoxerweise dürfte dabei gerade ein Aspekt des politischen Systems, der vielen als Schwäche gilt, zu den größten Reichtümern der Schweiz zählen.

Gemeint sind Eigenschaften wie Stabilität, Konstanz und Langsamkeit, die richtigerweise mit Föderalismus und direkter Demokratie in Verbindung gebracht werden.

Doch die Schweiz trägt zurzeit ihrem immateriellen Reichtum zu wenig Sorge. Sie ist in Gefahr, die soziale Kohäsion, das politische System, die Konstanz und Verlässlichkeit dem Motto der Anpassung an ein sich änderndes Umfeld zu opfern. Damit würde sie zugleich ihren materiellen Reichtum gefährden, denn beide gehören zusammen.

Die Schweiz wäre nicht wirklich reich, wenn es ihr nur gelänge, viel Geld anzuziehen. Sie wäre aber auch kaum reich geworden ohne ihre institutionellen, kulturellen und sozialen Besonderheiten. Sie machen aus der Schweiz im doppelten Sinne ein reiches Land. >> Gerhard Schwarz

Buchtipps für alle, die mehr über die Schweiz wissen möchten:

  • „Ideen für die Schweiz – 44 Chancen, die Zukunft zu gewinnen“. Herausgeber Gerhard Schwarz und Urs Meister (NZZ Libro). Gerhard Schwarz ist seit 2010 Direktor des Think-Tanks Avenir Suisse. Der obige Beitrag wurde freundlicherweise von GO! Das Schweizer Außenwirtschaftsmagazin zur Verfügung gestellt.
  • „Die Schweiz in der Vernehmlassung. Warum wir sind, wie wir sind“. Die Herausgeber Gerda Wurzenberger und Nicole Schiferer lassen in 21 Essays Autoren über den schillernden Sonderfall Schweiz zu Wort kommen (Verlag Kein & Aber).
  • „Tatort Zürich“. Autor Leo Müller liefert Einblicke in die Schattenwelt der internationalen Finanzkriminalität (Verlg Econ).
  • „Schurkenstaat Schweiz?“. Viktor Parma und Werner VonTobel berichten über Steuerflucht und wie sich der größte Bankenstaat der Welt korrumpiert und andere Länder destabilisiert (Verlag C. Bertelsmann).
  • „Ovoland“. Richard Reich aus Bern erzählt amüsante Geschichten aus einer untergehenden Schweiz, einer zu Ende gehenden Ära (Verlag Kein & Aber).
  • Background: Die Schweiz ist ein reiches Land und die meisten Menschen können gut leben. Es gibt jedoch grosse Unterschiede, was den Wohlstand angeht. Diese Unterschiede sind jedoch weniger offensichtlich als in anderen Ländern, da es zum guten Ton gehört, sich bescheiden zu geben nicht mit dem Reichtum zu protzen. Was man verdient, ist Privatsache; auch unter Freunden und Freundinnen wird darüber selten gesprochen.

    Auf der Liste der 500 weltweit reichsten Menschen, welche die US-amerikanische Zeitschrift Forbes 2007 veröffentlichte, waren acht Schweizer zu finden. Der bestplatzierte Schweizer war Ernesto Bertarelli (Rang 76) mit einem Vermögen von 8,8 Milliarden Dollar.

    In der Schweiz leben viele reiche Ausländerinnen und Ausländer. 2007 waren denn auch acht der zehn reichsten in der Schweiz wohnhaften Personen Ausländer. Am meisten Vermögen (33 Milliarden Dollar) hatte der schwedische IKEA-Gründer Ingvar Kamprad. (Quelle: swissworld.org)