
Reich wurde die Schweiz bis zum Ersten Weltkrieg vor allem dank der Realwirtschaft, lange bevor Steuerflucht eine Rolle spielte. Und der wahre Reichtum der Schweiz liegt nicht allein und auch nicht hauptsächlich im privaten Geldreichtum.
Was die Schweiz zum auffällig reichen Land macht, sind viel eher jene Faktoren, die die Weltbank- Studie „Where is the Wealth of Nations?“ als immaterielles Kapital (Bildung, politische Führung, Behördenqualität, Rechtssystem) bezeichnet und neben das natürliche (Landschaft, Rohstoffe) und das produzierte Kapital (Anlagen, Gebäude, Infrastruktur) stellt.
Das immaterielle Kapital macht rund 80 Prozent aus. Es besteht nicht zuletzt in der Fähigkeit, die permanente Herausforderung der sprachlichen, kulturellen und religiösen Vielfalt auf engstem Raum zu bewältigen und aus ihr einen Reichtum zu machen.
Vieles hat zur sozialen Kohäsion beigetragen, die in der Schweiz lange Zeit stärker war als in den umliegenden Ländern: die allgemeine Wehrpflicht; das Milizsystem in weiten Teilen des politischen und gesellschaftlichen Lebens; das duale Bildungssystem mit mindestens zwei Wegen nach oben; die ob der Vielfalt geradezu überlebensnotwendige Bereitschaft zum Kompromiss und eine deutlich gleichmäßigere Verteilung der Einkommen (vor staatlicher Umverteilung) als beispielsweise in Schweden.
Der dezentrale Staatsaufbau mit Gemeindeautonomie und Föderalismus führt zu großer Bürgernähe und hoher Identifikation mit dem Staat; die direkte Demokratie ist Ausdruck eines Staates, der von unten nach oben aufgebaut ist und im Dienste der Bürgerinnen und Bürger steht.
Gemeint sind Eigenschaften wie Stabilität, Konstanz und Langsamkeit, die richtigerweise mit Föderalismus und direkter Demokratie in Verbindung gebracht werden.
Doch die Schweiz trägt zurzeit ihrem immateriellen Reichtum zu wenig Sorge. Sie ist in Gefahr, die soziale Kohäsion, das politische System, die Konstanz und Verlässlichkeit dem Motto der Anpassung an ein sich änderndes Umfeld zu opfern. Damit würde sie zugleich ihren materiellen Reichtum gefährden, denn beide gehören zusammen.
Die Schweiz wäre nicht wirklich reich, wenn es ihr nur gelänge, viel Geld anzuziehen. Sie wäre aber auch kaum reich geworden ohne ihre institutionellen, kulturellen und sozialen Besonderheiten. Sie machen aus der Schweiz im doppelten Sinne ein reiches Land. >> Gerhard Schwarz
Buchtipps für alle, die mehr über die Schweiz wissen möchten:
Background: Die Schweiz ist ein reiches Land und die meisten Menschen können gut leben. Es gibt jedoch grosse Unterschiede, was den Wohlstand angeht. Diese Unterschiede sind jedoch weniger offensichtlich als in anderen Ländern, da es zum guten Ton gehört, sich bescheiden zu geben nicht mit dem Reichtum zu protzen. Was man verdient, ist Privatsache; auch unter Freunden und Freundinnen wird darüber selten gesprochen.
Auf der Liste der 500 weltweit reichsten Menschen, welche die US-amerikanische Zeitschrift Forbes 2007 veröffentlichte, waren acht Schweizer zu finden. Der bestplatzierte Schweizer war Ernesto Bertarelli (Rang 76) mit einem Vermögen von 8,8 Milliarden Dollar.
In der Schweiz leben viele reiche Ausländerinnen und Ausländer. 2007 waren denn auch acht der zehn reichsten in der Schweiz wohnhaften Personen Ausländer. Am meisten Vermögen (33 Milliarden Dollar) hatte der schwedische IKEA-Gründer Ingvar Kamprad. (Quelle: swissworld.org)