Will die EU-Kommission die Rechte der Flugpassagiere beschneiden? Hat die Lobby der Fluggesellschaften in Brüssel versucht, die EU-Kommission unter Druck zu setzen? Es schaut so aus. Dass dennoch der Versuch eines Ausverkaufs der Fluggastrechte in die Hose ging, verdanken die Geschäftsreisende und andere Passagiere dem EU-Parlament.
Denn dieses hat kürzlich die Vorschläge der EU-Kommission zum Nachteil der Passagiere abgeschmettert und einem Gesetzesentwurf mehrheitlich zugestimmt, mit dem Geschäftsreisende und andere Fluggäste innerhalb der EU mehr Rechte erhalten sollen.
So ist geplant, dass Geschäftsreisende und Urlauber auf Kurzstrecken unter 1.500 Kilometern bereits ab drei Stunden Verspätung mit 300 Euro entschädigt werden; bisher waren es 250 Euro. Die EU-Kommission wollte hingegen erst ab fünf Stunden Verspätung Entschädigungen zugestehen.
Wenn’s nach dem EU-Parlament geht, so sollen Passagiere für Mittelstreckenflüge ab fünf Stunden Verspätung künftig 400 Euro und ab sieben Stunden für Langstreckenflüge 600 Euro Entschädigung erhalten.
Die EU-Kommission hingegen schlug wesentlich längere Verspätungseiten vor und begründete das damit, dass Airlines halt mehr Zeit bräuchten, um die technischen Probleme der Verspätungen zu beheben.
Mit der Neuregelung der Passagierrechte soll eine Richtlinie von 2004 nachgebessert werden, die nach Meinung von Verbraucherschützern zu viele Schlupflöcher bietet. Zahlreiche Urteile des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) aus den vergangenen Jahren werden dabei berücksichtigt. Außerdem soll in Zukunft eine Schlichtungsstelle sich um abgesagte Flüge, beschädigtes oder verloren gegangen Gepäck oder zu lange Wartezeiten kümmern, wenn die Passagierin ihrer Beschwerde bei den Airlines abblitzen.
Nebenbei bemerkt: Das Engagement der EU-Parlamentarier kommt nicht von ungefähr. Die EU-Abgeordneten sind Vielflieger – sie pendeln ständig zwischen ihren Heimatländern, Brüssel und Straßburg. Ohne Zweifel wären auch sie selbst Nutznießer einer Verbesserung der EU-Passagierrechte.
Für die Lobby der Airlines ist die Entscheidung der EU-Parlamentarier „unverantwortlich“, so Klaus-Peter Siegloch, Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Luftverkehrswirtschaft. Er droht: „Der Entschluss wird dazu führen, dass die Fluggesellschaften die Mehrkosten wegen ihrer geringen Margen nicht selber zahlen können und daher auf die Ticketpreise aufschlagen müssen.“
Auch EU-Verkehrskommissar Siim Kallas warnt im Interesse der Airlines, dass die Ticketpreise erhöht werden könnten. Das Problem der Fluggastrechte ist also noch nicht vom Tisch.
TRAVELbusiness-Tipp: Zu der von Fluggesellschaften geübten Praxis, Beschwerde-Passagiere mit Bonusmeilen statt Ausgleichszahlungen abzuspeisen, empfiehlt Dr. Alexander Skribe, Vertragsanwalt des Verbraucherschutzportals www.fairplane.net, dieses Angebot abzulehnen: „Als Passagier ist man nicht verpflichtet, die von der Fluglinie angebotenen Bonusmeilen oder Fluggutscheine anzunehmen. Das Gesetz sieht grundsätzlich eine Ersatzbeförderung sowie in bestimmten Fällen zusätzlich eine Geldzahlung vor. Hingegen setzt die Bezahlung der Ausgleichsleistung durch die Airline mittels Bonusmeilen oder Fluggutscheinen im Regelfall das schriftliche Einverständnis des Passagiers voraus.“
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Redaktion: Georg Karp/TRAVELbusines