Das hat der Austrian Airlines-Vorstand nicht erwartet: Das Arbeits- und Sozialgericht Wien hat in seinem am 2. September publizierten Urteil die Rechtmäßigkeit des Betriebsübergangs des fliegenden Personals von Austrian zur Tyrolean in Frage gestellt. Grundsätzlich, so der Richter in seinem Urteilsspruch, wurden die Bestimmungen des Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz (AVRAG) genau beachtet, „eine vordergründig zu erblickende Gesetzesübertretung liegt demnach nicht vor.“
Allerdings gibt das Arbeits- und Sozialgericht in seinem Urteil dem Arbeitnehmerschutz eine besonders hohe Bedeutung und stellt den Betriebsübergang innerhalb eines Konzerns in Frage. Der Betriebsübergang des fliegenden Personals von Austrian Airlines zur Tyrolean war Bestandteil des Sanierungskonzepts der Airline-Gruppe, nachdem die Verhandlungen mit dem Betriebsrat Bord im vergangenen Jahr gescheitert waren.
„Wir nehmen den erstinstanzlichen Urteilsspruch zur Kenntnis. Ich möchte mich bei dem Richter bedanken, dass er sich mit unserem Fall auseinandergesetzt hat und trotz politischer Brisanz zu einer Entscheidung gekommen ist. Es überrascht uns, dass er mit seinem Urteil die gängige Praxis des Betriebsübergangs bei Konzern-Restrukturierungen insgesamt in Frage stellt“, so Austrian Airlines CEO Jaan Albrecht in einer ersten Stellungnahme.
Albrecht: „Wir werden alle rechtlichen Möglichkeiten im Instanzenweg ausschöpfen, um auch rechtlich unseren Restrukturierungskurs abzusichern. Währenddessen hoffen wir, dass die bereits begonnenen Gespräche mit dem Betriebsrat zum Kollektivvertrag unabhängig vom Gerichtsurteil zu einer tragfähigen Lösung am Verhandlungstisch führen. Wir fühlen uns auch weiterhin und unabhängig des Urteils verantwortlich, alles zu tun, um die Wettbewerbsfähigkeit der Austrian Airlines sicher zu stellen.“
Offen bleibt auch noch die Entscheidung des Obersten Gerichtshofs (OGH) zur Nachwirkung des Kollektivvertrages. Der OGH hatte die Austrian Airlines im Juni darüber informiert, dass er zur Klärung einzelner Rechtsfragen noch den Europäischen Gerichtshof (EuGH) befragen müsse.
Während der OGH nur die Frage der Nachwirkung des gekündigten Kollektivvertrages des ehemaligen Austrian Bordpersonals klären soll, hat das Arbeits- und Sozialgericht Wien alle konkreten arbeitsrechtlichen Auswirkungen des Betriebsübergangs behandelt. Formal betrachtet hat das Verfahren des Arbeits- und Sozialgerichts keine Auswirkung auf die Entscheidung des OGH.
Die Austrian Airlines Group startete Anfang 2012 ein umfassendes Restrukturierungsprogramm, um den Fortbestand der größten heimischen Fluggesellschaft abzusichern. Zentraler Punkt dabei war die Übertragung des Teilbetriebs „Flugbetrieb“ auf die Tochter Tyrolean Airways zum 1. Juli 2012 nach gescheiterten Verhandlungen.
Im Vorfeld wurde von der Wirtschaftskammer der alte Bord-Kollektivvertrag der Austrian Airlines gekündigt. Die Gewerkschaft kündigte als Reaktion den Bord-Kollektivvertrag der Tyrolean Airways. Heute gelten im Flugbetrieb die Unternehmensrichtlinien, die auf dem Kollektivvertrag der Tyrolean Airways fußen.