Die EU-Sanktionen zeigen Wirkung – aber weniger in Russland als in den führenden Wirtschaftsnationen Europas. Die deutsche Wirtschaft ist ausgebremst, die Geschäftsreisen stagnieren, die Geschäftsbeziehungen sind gefährdet. In einem Beitrag für die Fuldaer Zeitung setzt sich Volker Treier, Außenwirtschaftschef des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK), mit den Folgen der EU-Sanktionen für die Wirtschaft auseinander.
Treier: „Schon jetzt leiden die Wirtschaftsbeziehungen erheblich. Die schwache Konjunktur in Russland, das gestörte Geschäftsklima und die Embargomaßnahmen, die seit August als Sanktionen der 3. Stufe auf strategische Sektoren der russischen Wirtschaft ausgerichtet sind, machen vielen Unternehmen im Russland-Geschäft zu schaffen.“ Gleichzeitig müsse die Politik alle Chancen zum Dialog nutzen – und auch den alltäglichen Austausch mit russischen Partnern weiter ermöglichen, meint der Außenwirtschaftschef des DIHK. Und: „Die Geschäftsbeziehungen mit Russland dürfen nicht auf breiter Front abgebaut werden.“
Volker Treier weiter in seinem Beitrag: „Die von der EU und den USA ausgesprochenen Maßnahmen gegen Russland senden ein deutliches Signal. Richtig ist, dass die Sanktionen grundsätzlich auf zwölf Monate befristet sind. Das ist ein Zeichen der Dialogbereitschaft und hält die Tür für Gespräche offen.
Wir betrachten es als weiteres Signal der Dialogbereitschaft von Seiten der EU an Russland, dass das Freihandelsabkommen mit der Ukraine zum Teil verschoben wird. Für die Ukraine ist das in der Sache kein Verlust. Es bedeutet, dass die Zölle auf europäische Waren erst später sinken werden. Umgekehrt hat die EU der Ukraine bereits seit April vorzeitig die Zollpräferenzen des Abkommens gewährt: 97 Prozent aller EU-Zölle auf ukrainische Waren sind bereits weggefallen, das heißt: Die Ukraine hat bereits jetzt leichteren Zugang zum Binnenmarkt.
Die Sanktionen entfalten – auch vor dem Hintergrund der allgemein schlechten Lage in Russland – Wirkung. Gewinneinbußen, Finanzierungsprobleme, gestrichene Investitionen namhafter russischer Firmen laufen über die Nachrichtenticker. Wachstum braucht Investitionen. Dies wird durch die veränderten Finanzierungsbedingungen und den anhaltenden Kapitalabfluss deutlich erschwert.“
Treier: „Russland müsste dringend einlenken und den Weg der Modernisierung mit dem Westen weitergehen. Stattdessen stellen bereits deutsche und europäische Firmen ihre Investitionen in Frage, bauen ab oder führen, wie zum Beispiel im Automobilsektor, Kurzarbeit ein. Eine aktuelle Befragung der Deutschen Auslandshandelskammer (AHK) Russland zeigt, dass 71 Prozent der Unternehmen vor Ort bis zum Jahresende 2014 eine rezessive oder schlechte wirtschaftliche Entwicklung erwarten. Das sind 16 Prozent mehr als noch im Dezember 2013.“
Insbesondere im deutschen Maschinen- und Anlagenbau zeichnen sich deutlich Einbußen ab. Restriktionen für hochtechnische Lösungen und spezialisierte Verfahren, die unter die Bestimmungen zum doppelten Verwendungszweck fallen, treffen unsere Kernindustrie. Insgesamt rechnet der DIHK mit einem Exportrückgang nach Russland von mindestens 20 Prozent in diesem Jahr.
Treier: „Insofern muss uns allen klar sein: Die Sanktionen treffen auch die deutsche Wirtschaft. Deswegen ist es wichtig, dass die Verfahren und Genehmigungen durch die deutsche Ausfuhrkontrolle zügig durchgeführt werden. Der DIHK und die Kammerorganisation sind mit dem verantwortlichen Bundesamt (BAFA) hierzu in stetem Kontakt und Austausch.
Einzelne spezialisierte Unternehmen könnten durch die Entwicklung in ihrer Existenz bedroht sein. Wir müssen aufpassen, dass hochtechnische Expertise und Ingenieursleistungen in diesen Firmen nicht preisgegeben werden. Sollte es soweit kommen, müssen wir darüber nachdenken, wie sinnvolle und gezielte Stützungsmaßnahmen aussehen könnten.“ (Quelle: DIHK)