
Die Götter haben es mit der Insel gut gemeint, nur nicht mit uns. Bei der Landung in Larnaka hängen dunkle Wolken über Zypern. Es ist windig, kühl und nass. Hatte nicht die charmante Reisebüromitarbeiterin erzählt, dass es auf der Insel bereits warm sei und die Mimosen blühen? Hatte nicht der zypriotische Tourismusexperte viel Sonnenschein versprochen, oder war das nur ein Werbegag?
Schwamm drüber. Vierundzwanzig Stunden später brennt die Sonne heiß herunter, und wir kommen trotz steifer Brise ins Schwitzen. Zyperns Ruf als Sonneninsel ist wieder hergestellt, da soll noch einer wegen ein paar Regentropfen und kalter Füße lamentieren. Mit rund 320 Sonnentagen im Jahr hat das Klimaparadies im südöstlichen Mittelmeer, knapp vor Israel, immer Saison.
Wir bummeln durch Larnaka, das alte Kition der Bibel. Der Name kommt vom griechischen Wort Larnax und bedeutet Sarkophag. Im Zentrum steht die orthodoxe Kirche Agios Lazaros mit einem unterirdischen byzantinischen Museum.
Im Rathaus erzählt uns ein Beamter alles über den Heiligen Lazarus, das Fort mit den rostenden Krupp-Geschützteilen, Zenon, den Vater der Stoiker, und die archäologische Sammlung im Pierides Museum bis hin zur touristischen Gegenwart am Hafen.
Das Klimaparadies im östlichen Mittelmeer beflügelt Gaumen, Geist und die Kunst des Liebens. Abends in einer urigen Taverne, die man über eine windschiefe Treppe erreicht, erwarten uns schräge Decken, vier rastlos rotierende Ventilatoren, Holztische und knarrende Stühle.
Aus der Meze wird ein unendliches Festmahl mit über zwanzig leckeren Gerichten. Bouzoukis begleiten Christakis Kyriakides, der Liebeslieder singt, und als Krönung des Abends – wie könnte es anders sein – den berühmtesten Ohrwurm der hellenischen Sangeskunst: „Ein Schiff wird kommen“.
Am nächsten Morgen geht es zur Ostküste. Vorbei an einem Salzsee, wo Flamingos überwintern, und an der Moschee Hala Sultan Tekke, wo die Ziehmutter des Propheten Mohammed begraben liegt. Dann führt der Weg durch eine grelle Dünenlandschaft mit kilometerlangen Badestränden. Es riecht nach Beton.
Die Last der Geschichte belastet noch immer Zypern
Hotels, Pizzerien, Discos und Shops schießen aus dem Boden. Wir sind in Agia Napa, wo der Tourismus in vollem Gange ist. Nur im ehemaligen Nonnenkloster herrscht meditative Ruhe, und etwas weiter nördlich in Deryneia sogar Grabesstille. Hier verläuft die Demarkationslinie. Die Fahne mit dem Halbmond signalisiert die türkische Republik Nordzypern. Mit bloßem Auge sieht man die besetzte Stadt Famagusta.
In seiner 9.000-jährigen Geschichte hat Zypern viele fremde Besatzer gesehen. Kupfervorkommen gaben der Insel ihren Namen, machten sie reich und begehrenswert für Fremde.
Die Griechen landeten, holzten rücksichtslos die Wälder ab, bauten ihren Göttern Tempel und gräzisierten das Leben. Ägypter, Assyrer, Phönizier und Perser kamen und gingen. Vier Jahrhunderte herrschten die Römer, acht Jahrhunderte das Byzantinische Reich. Dann kreuzten die Kreuzritter als Heilsbringer auf, gefolgt von den geschäftstüchtigen Venezianern, den Osmanen und zuletzt den Briten.
Nach 3.500 Jahren fremder Herrschaft wurde Zypern 1960 erstmals ein unabhängiger Staat. Doch die Einheit endete vor genau 50 Jahren: Die Athener Militärjunta wollte 1974 den damaligen Staatsgründer und Präsidenten, Erzbischof Makarios, stürzen. Daraufhin okkupierte die türkische Armee den Norden der Insel, ein Drittel der Gesamtfläche.

Seither ist der kleine Inselstaat, Mitglied der EU, zweigeteilt. Eine Aussicht auf Vereinigung ist seither ziemlich aussichtslos, da die Gräben zwischen den Zyperngriechen und den Zyperntürken zu tief sind.
Zypern verdankt die Zweiteilung der Hure Politik
Das wird uns in Nicosia, der geteilten Hauptstadt Zyperns, besonders bewusst, als wir hinter Barrikaden aus Stacheldraht, Betonblöcken und Metallfässern vorbeischleichen. Mitten durch das Herz der Metropole zieht sich die Green Line von West nach Ost.
Soldaten der griechisch-zypriotischen Republik schieben Wache. Fotografieren verboten. Drüben sind die Türken, unsichtbar, nur die flatternde Halbmondfahne deutet auf ihre Präsenz. Dazwischen sichern UN-Soldaten das Niemandsland. Streunende Katzen, hungrige Ratten und gurrende Tauben sind die einzigen Grenzgänger.
Wir sind froh, diese hässliche Narbe hinter uns zu lassen, stürzen uns in das Labyrinth der Altstadt, besuchen die Staatskirche Agios Ioannis, durchwandern die zypriotische Urgeschichte im Nationalmuseum, bewundern respektvoll Terrakottafiguren aus der Bronzezeit und die Statue der Aphrodite von Soloi. Wir fühlen uns wie Gartenzwerge, als wir an der riesigen Bronzestatue des legendären Erzbischofs Makarios, des Staatsgründers in der Soutane, vorbeigehen.
Mittagsrast bei Theodoros, in einer der vielen Imbissbuden in Nicosia. Souvlaki in Fladenbrot, Tomaten, Zwiebeln und Halloumi-Käse werden aufgetischt. „Kopiaste, esst und trinkt“, sagt der Wirt und lässt eine neue Runde Keo-Bier auffahren. Zum Teufel mit der Green Line und der Politik.
Quer durchs Troodos-Massiv, den Bauch von Zypern, fahren wir über kurvenreiche Straßen und durch Zedernwälder, bis wir Kakopetria, ein unter Denkmalschutz stehendes Dorf, passieren. Immer wieder sehen wir kleine Dörfer, die sich krampfhaft an die Berghänge klammern.
Sonne, Meer und idyllische Traumstrände
Abends erreichen wir Limassol, die zweitgrößte Stadt und das Herz Zyperns. Die Handelsmetropole ist ein Zentrum der Lebenslust, mit Tavernen, Discos und Bars. Der Sommer ist ein einziges Festival, und der September ein rauschendes Weinfest. Rundherum findet man Geschichte satt: Da ist die Burg von Kolossi, dort die Ruinenstadt Kourion mit Basilika, Freilichttheater und antiken Patrizierhäusern.
Wenige Kilometer südwestlich von Limassol liegt auf der Halbinsel Akrotiri der Sandstrand „Lady’s Mile Beach“. Hier und in Dhekelia unterhalten die Briten strategische Basen mit Raketenbunkern und Radaranlagen. Hinter Stacheldrahtzäunen pflegen sie ihren British way of life – mit Polo, Pubs und Fish’n’Chips. God save the Queen, bei your pardon, the King of course.
Am nächsten Morgen besuchen wir Pafos, das größte Open-Air-Museum Zyperns: Touristenmassen steigen in die Königsgräber hinab, drängeln sich vor der Villa des Dionysos, um die Mosaiken zu bestaunen, und klettern auf den Felsen Petra tou Romiou, um zu sehen, wo Aphrodite dem Meeresschaum entstiegen sein soll.
Legenden erwachen zum Leben. In ihren Tempeln soll die liebestolle Liebesgöttin Adonis, Ares und Eros verführt haben. In Polis soll die Göttin der Liebe in einer Grotte gebadet haben, deren Wasser ewige Jugend verleihen soll. Schade, wir konnten es nicht ausprobieren – Normalsterblichen ist dort das Baden verboten.
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