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Werden Europäer zu Kulturbanausen?

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Wird Europa zu einem Kontinent mit weniger Interesse an Kultur? Haben Europäer angesichts der Wirtschafts- und Finanzkrise die Lust an Kultur verloren? Wird das Internet zum wichtigsten Informationsmittel? Die Ergebnisse einer neuen Eurobarometer-Umfrage über den Zugang zu und die Beteiligung an kulturellen Aktivitäten — die letzte zu diesem Thema fand 2007 statt — legen dies nahe.

Zwar bestehen deutliche Unterschiede zwischen den Mitgliedstaaten, aber im Schnitt hat die Zahl der Europäer abgenommen, die sich als ausübende Künstler oder als Zuschauer kulturell engagieren.

Nur 38 Prozent haben sich im vergangenen Jahr kulturell betätigt und haben beispielsweise gesungen, getanzt oder fotografiert. Die Zahl der Befragten, die ihre „passive“ Beteiligung als hoch oder sehr hoch bezeichneten, ging von 21 Prozent im Jahr 2007 auf jetzt 18 Prozent zurück.

Wie es um das Interesse der Österreicher an Kultur und Bildung steht, können Sie hier als PDF herunterladen. Aber seien Sie nicht überrascht. Die Zahlen sind ein Spiegelbild der österreichischen Kultur- und Bildungspolitik.

Der Rückgang der Teilnahme betraf alle kulturellen Aktivitäten mit Ausnahme der Kinobesuche:52 Prozent der Befragten gaben an, im vergangenen Jahr im Kino gewesen zu sein (+ 1 Prozent). Als Gründe, sich kulturell nicht zu betätigen, wurden vor allem Zeitmangel (44 Prozent sagten, dass sie aus diesem Grund keine Bücher lesen), kein Interesse (50 Prozent gehen aus diesem Grund nicht zu einer Ballett-, Tanz- oder Opernaufführung), kein Geld (25 Prozent gehen deshalb nicht ins Konzert) und ein schlechtes Angebot (durchschnittlich 10 Prozent) angegeben. Nach der Umfrage nutzt über die Hälfte der Europäerinnen und Europäer das Internet für kulturelle Zwecke, ein Drittel davon mindestens einmal in der Woche.

„Kultur ist eine Quelle der persönlichen Erfüllung, der Kreativität und der Freude. Ich finde es schade, dass nicht mehr so viele Bürgerinnen und Bürger der Union an kulturellen Aktivitäten teilnehmen, sei es als auftretende Künstler, Produzenten oder Konsumenten. Diese Umfrage zeigt, dass die Regierungen neu überlegen müssen, wie sie über die Kulturförderung Anreize zur Beteiligung schaffen und das Potenzial der Kultur als Motor für Wachstum und Beschäftigung ausschöpfen können. Die Kultur- und Kreativbranche muss sich ebenfalls anpassen, um neue Publikumsschichten zu erreichen und neue Finanzierungsmodelle auszuloten. Die Kommission wird mit dem neuen Kulturprogramm Kreatives Europa und anderen EU-Finanzhilfen weiterhin den Zugang und die Mitwirkung fördern“, sagte Androulla Vassiliou, EU-Kommissarin für Bildung, Kultur, Mehrsprachigkeit und Jugend.

Als kulturelle Aktivität gaben die meisten der Befragten in der EU an, Kulturprogramme im Fernsehen oder Radio zu verfolgen (72 Prozent taten dies mindestens einmal in den vergangenen zwölf Monaten, 6 Prozent weniger als 2007) oder Bücher zu lesen (68 Prozent, ein Rückgang um 3 Prozent). Am wenigsten populär waren Besuche von Opern-, Ballett- oder Tanzaufführungen (18 Prozent, unverändert).

Auf alle kulturellen Aktivitäten bezogen, vom Lesen bis zum Besuch eines Museums, ist die Beteiligung in den nördlichen Ländern am höchsten, vor allem in Schweden (43 Prozent der Befragten bezeichneten ihr Engagement als groß bzw. sehr groß), in Dänemark (36 Prozent) und in den Niederlanden (34 Prozent).

Am anderen Ende der Skala stehen Griechenland, wo nur 5 Prozent der Befragten angaben, sich häufig oder sehr häufig zu beteiligen, Portugal und Zypern (beide 6 Prozent), Rumänien und Ungarn (7 Prozent) sowie Italien (8 Prozent).

  • Insgesamt 34 Prozent der EU-Bevölkerung nehmen nie oder äußerst selten an kulturellen Aktivitäten teil, das sind 4 Prozent mehr als 2007. In einigen Ländern hat dieser Anteil deutlich zugenommen, etwa in Ungarn (54 Prozent, + 26 Prozent), Rumänien (55 Prozent, + 14 Prozent) und Griechenland (63 Prozent, + 8 Prozent).
  • Für die Umfrage wurden knapp 27.000 EU-Bürger ausgewählt. Die Zahl der Befragten lag zwischen 500 in kleineren Mitgliedstaaten (Malta, Zypern und Luxemburg) und rund 1300 im Vereinigten Königreich bzw. 1500 in Deutschland.

    Am stärksten ist die aktive Beteiligung in Dänemark (74 Prozent haben im letzten Jahr mindestens an einer kulturellen Aktivität mitgewirkt), Schweden (68 Prozent), Finnland (63 Prozent) und den Niederlanden (58 Prozent).

    Am schwächsten ist die aktive Beteiligung in Bulgarien (14 Prozent), Malta (18 Prozent), Italien (20 Prozent) und Ungarn (21 Prozent). Nur noch 12 Prozent der Befragten in der EU haben fotografiert oder einen Film gedreht, gegenüber 27 Prozent in der letzten Umfrage, 13 Prozent bzw. 11 Prozent gaben an, getanzt oder gesungen zu haben (2007 waren es 19 Prozent bzw. 15 Prozent).

    Wenn die Befragten kein Interesse, keine Zeit, kein Geld oder kein Angebot als Gründe angaben, warum sie sich nicht kulturell betätigt haben, war die Verteilung der höchsten/niedrigsten Zahlen wie folgt:

  • Ein Buch gelesen: kein Interesse (am höchsten in PT mit 49 Prozent, am niedrigsten in SE mit 15 Prozent), keine Zeit (CY 55 Prozent, IE 31 Prozent Prozent), kein Geld (HU, IT 8 Prozent, DK, LU, MT, NL, SE und UK jeweils 0 Prozent), begrenztes Angebot (RO 14 Prozent, NL 0 Prozent).
  • Eine Kultursendung im Fernsehen gesehen/im Radio gehört: kein Interesse (AT 43 Prozent, LU, RO jeweils 20 Prozent), keine Zeit (MT 50 Prozent, AT 23 Prozent), begrenztes Angebot (RO 16 Prozent, BG, MT je 3 Prozent).
  • Ein Konzert besucht: kein Interesse (MT 49 Prozent, LV 11 Prozent), keine Zeit (LU 34 Prozent, PT 13 Prozent), kein Geld (PT 35 Prozent, MT 7 Prozent), begrenztes Angebot (RO 30v, MT 2 Prozent).
  • Eine historische Sehenswürdigkeit besichtigt: kein Interesse (CY 47 Prozent, LV, RO jeweils 18 Prozent), keine Zeit (LU 44 Prozent, FI 25 Prozent), kein Geld (CZ 21 Prozent, DK, LU, MT, FI, SE jeweils 2 Prozent), begrenztes Angebot (RO 26v, MT 1 Prozent).
  • Ins Kino gegangen: kein Interesse (CY 43 Prozent, LV und LU 17 Prozent), keine Zeit (LU 43 Prozent, BG 18v), kein Geld (ES 42 Prozent, MT 6 Prozent), begrenztes Angebot (RO 29 Prozent, MT 1 Prozent).
  • Ein Theater besucht: kein Interesse (MT 54 Prozent, EE 16 Prozent), keine Zeit (CY, LV jeweils 31 Prozent, PT 14 Prozent), kein Geld (EL 40 Prozent, LU 4 Prozent), begrenztes Angebot (RO 29 Prozent, MT 2 Prozent).
  • Ein Museum oder eine Galerie besucht: kein Interesse (CY 61 Prozent, LV, RO jeweils 22 Prozent), keine Zeit (UK 41 Prozent, PT 23 Prozent), kein Geld (HU 18 Prozent, CY, MT, FI jeweils 2 Prozent), begrenztes Angebot (RO 26 Prozent, MT 1 Prozent).
  • Eine öffentliche Bibliothek besucht: kein Interesse (CY 62 Prozent, RO 26 Prozent), keine Zeit (RO 36 Prozent, LU 17 Prozent), begrenztes Angebot (RO 23 Prozent, MT 2 Prozent).
  • Ein Ballett, eine Tanzaufführung, eine Oper besucht: kein Interesse (CY 64 Prozent, RO 24 Prozent), keine Zeit (LU 27 Prozent, PT 11 Prozent), kein Geld (LT 25 Prozent, MT 4 Prozent).
  • Die Umfrage zeigte auch, dass mehr als die Hälfte der Europäerinnen und Europäer das Internet für kulturelle Zwecke nutzt. Am beliebtesten ist das Internet für das Lesen von Zeitungsartikeln (53 Prozent), die Suche nach kulturellen Informationen (44 Prozent) und das Radio- oder Musik hören (42 Prozent). Die Befragten aus den nördlichen Ländern nutzen das Internet eher für kulturelle Zwecke als diejenigen aus den südlichen und den mittel- und osteuropäischen Ländern.

    Sozio-demografische Faktoren sind weiterhin maßgeblich für die kulturelle Beteiligung: Mit Bildung, sozialer Stellung und Wohlstand steigt auch die Mitwirkung an kulturellen Aktivitäten. Positiv zu vermerken ist, dass die jüngsten Europäer (15 bis 24 Jahre) auffallend häufig an vielen kulturellen Aktivitäten teilnehmen, und dies scheint auch das Alter zu sein, in dem das Interesse an möglichst vielen Aktivitäten am größten ist.

    Europäisches Kulturforum. Die Veröffentlichung der Eurobarometer-Umfrage über den Zugang zu und die Beteiligung an kulturellen Aktivitäten fällt zeitlich mit der Eröffnung des Europäischen Kulturforums im Palais des Beaux Arts in Brüssel zusammen. 1200 Kulturschaffende und kulturpolitische Entscheidungsträger werden vom 4.-6. November auf diesem Forum erwartet.

    Zu den Hauptrednern zählen José Manuel Barroso, Präsident der Europäischen Kommission, Androulla Vassiliou, EU-Kommissarin für Bildung, Kultur, Mehrsprachigkeit und Jugend, Šarūnas Birutis, litauischer Kulturminister, und Tomáš Sedláček, Autor von Economics of Good and Evil. Das Forum findet just vor der Verabschiedung des neuen EU-Förderprogramms für den Kultur- und Kreativsektor, Kreatives Europa, statt.

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