Start Business Kenia: Mittelschicht entdeckt die Lust am Konsum

Kenia: Mittelschicht entdeckt die Lust am Konsum

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Kenias Einzelhandelssektor gehört zu den modernsten auf dem afrikanischen Kontinent. In den nächsten Jahren wird erwartet, dass der Handel um rund zehn Prozent jährlich zulegen kann. Dennoch findet der Großteil des Handels in Kenia weiter im informellen Sektor, auf Märkten und unter freiem Himmel statt.

Das ist auch an vielen Stellen Nairobis nicht anders. Doch es tut sich viel in der kenianischen Hauptstadt. Überall sieht man junge Leute mit Smartphone am Ohr, Geschäftsleute mit Tüten voller Waren und Shakes in den Händen, Luxusschlitten auf den Parkplätzen der neuen Shopping Center.

Kenias Hauptstadt, anstrengend, laut und mit vollgestopften Straßen, mausert sich zu einer globalen Einkaufsstadt. Zwar sind Aktivitäten zur Vermarktung der Stadt als Shopping-Destination bis jetzt nicht vorhanden. Dafür haben die Unternehmen selber das Kommando übernommen.

Gebaut und entwickelt wird an zahlreichen Ecken in der Stadt und dem Umland. Investoren ziehen immer neue Einkaufs- und Geschäftskomplexe mit neuen Shops und Marken hoch. Das Land bleibt für ausländische Investoren einer der bevorzugten Standorte Afrikas.

Kenia hat immerhin gut 38 Millionen Einwohner und plant mit Nachbarländern eine Wirtschafts- und Währungsunion für Ostafrika – so käme ein Markt mit über 120 Millionen Kunden zusammen. Auch die Regierung setzt immer starker auf den Handel und setzt im Rahmen ihrer wirtschaftspolitischen Leitlinien, der „Vision 2030“, auf den Entwicklungsbeitrag des Handels.

Nairobi City
Nairobi, die Hauptstadt von Kenia, wächst zum Himmel (Fotos: Travel Marketing Romberg)
Derweil wächst im Land eine kaufkräftige Mittelschicht mit sicheren und gut bezahlten Jobs heran. Neben einem Haus oder einer Wohnung in einem guten Stadtteil soll es ein Auto pro Haushalt sein; was nicht gespart wird, wird für Luxusartikel, Freizeit und andere Extras ausgegeben.

Das Pro-Kopf-Einkommen in Kenia liegt im Schnitt derzeit bei rund 850 US-Dollar; die Konsumausgaben liegen bei rund 630 US-Dollar pro Kopf. Die Menschen sind markenbewusst, technikaffin, wollen Entertainment und nutzen das Mobiltelefon zum Bezahlen und Einkaufen.

Kenia auf dem Weg in die Zukunft

Das ganze Land wird moderner: es gibt mittlerweile erste Lifestyle-Magazine, in den Gazetten der Hauptstadt stehen neben den Einkaufs- und Beautytipps die neuesten Berichte über Modeschauen, Auto-Tuning und Events.

Nairobi Jaima Moschee
Die Jaima-Moschee in Nairobi ist die größte und bedeutendste Moschee Kenias (Foto: Wiki Commons)
Radiosender spielen die Hits lokaler Bands. Immer mehr scheint sich eine „Kenyaness“ bei den Kunden und in der Mode durchzusetzen: ein ganz eigener Afro-Stil, der lokale Traditionen neu interpretiert und mit modernen Elementen selbstbewusst kombiniert. Dabei setzen sich immer öfter heimische Marken durch. Immer mehr Kunden geben gezielt etwas mehr aus und wollen entweder hochwertige westliche Marken oder afrikanische Designprodukte.

Dem Handel geht es dabei immer besser. Mit innovativen Geschäftsmodellen haben es Unternehmen im Handel geschafft, sich trotz oft widriger politischer Bedingungen, Infrastrukturproblemen und verbreiteter Korruption sehr erfolgreich am Markt zu etablieren. Der Boom lässt sich in Nairobi an neuen Shopping Malls, Supermärkten und Franchisekonzepten in der Gastronomie ablesen. Immer neue Unternehmen entstehen. Mit steigenden Einkommen und weiterer Verstädterung wächst die Mittelschicht weiter.

Schulkinder im Slum von Nairobi
Schulkinder im Slum von Nairobi, durch den die Bahn fährt (Foto: Khym54/Wiki Commons)
Man hat immer mehr Lust am Konsum und gibt das Einkommen für Waren aus, die nicht nur der täglichen Versorgung dienen. Man flaniert durch Malls und schicke Boutiquen oder lässt sich im Nagelstudio verschönern. Kaum eine afrikanische Frau, die nicht ihr Geld für Mode, Schmuck oder ihre Haarpracht ausgibt.

Videotheken entstehen, großflächige Werbeschilder für Hautcremes, Limonaden, Kühlschränke und Turnschuhe prangen an den Hauptstraßen – und sogar die erste SB-Autowaschanlage Kenias wurde eröffnet. Man geht in gepflegte Restaurants mit europäischem Ambiente oder in Fast-Food-Ketten und tanzt in coolen Bars.

Schon immer gab es in Nairobi moderne Einkaufsmöglichkeiten für die Oberschicht, die Ex-Patriates und die große indische Community. Doch mittlerweile sieht man in den Einkaufszentren, Märkten und Fachgeschäften immer mehr Kenianer beim Shoppen. Und sogar die Nachfrage nach nachhaltig produzierten Lebensmitteln und anderen Öko-Produkten nimmt zu.

Der Markt dafür ist noch klein, aber hat Potenzial. Erste Supermarktketten haben biologische Produkte und Fair-Trade-Waren aus Afrika im Regal. Außerdem bekommt der Export kenianischer Produkte nach Europa derzeit Auftrieb, denn auf europäischen Märkten haben Bioprodukte weiter Hochkonjunktur.

Aber der moderne Handel in Kenia ist weiterhin nur eine Seite der Medaille. Die Einkommensverteilung ist extrem ungleich, die Mehrheit der Menschen lebt noch in Armut. Kaum einige Kilometer von den Handelshochburgen entfernt ist das Elend des Großteils der Hauptstadtbevölkerung unübersehbar. Deren Geld reicht oft nicht mal für notwendige Lebensmittel aus.

Trotzdem ist die Aufwärtsentwicklung unübersehbar. In der Stadtentwicklung Nairobis manifestiert sich diese anders als in europäischen Metropolen. Der hochwertige, moderne Handel und die Gastronomie entstehen zum ganz wesentlichen Teil außerhalb der eigentlichen Innenstadt, in der Nähe der wohlhabenden Stadtviertel an PKW-orientierten Standorten und geschützt hinter hohen Mauern mit Stacheldraht und Security-Checks an den Zufahrten.

Geschäftsstraßen traditioneller Prägung gibt es zwar genauso wie alteingesessene Fachgeschäfte und Märkte noch. Doch mit dem Wegzug wohlhabender Schichten an den Stadtrand schwindet oft deren Attraktivität.

Nairobi im Licht der untergehenden Sonne
Wirtschaftsmetropole und Boomtown Nairobi im Licht der untergehenden Sonne (Foto: Mkimemia/Wiki Commons)
Neue Läden mit Top-Ladenbaukonzepten finden sich deshalb nahezu ausschließlich in Malls und Plazas, die ihrerseits fast alle „Urban Entertainment Centres“ mit Unterhaltung, Gastronomie und Dienstleistungen sind. Allen voran ist im stadtnahen Viertel Westlands die hübsch schillernde Westgate Shopping Mall entstanden, die wohl edelste, größte und teuerste Mall Nairobis und vielleicht ganz Afrikas.

Die Mall ähnelt von Struktur und Aufbau ziemlich stark europäischen Einkaufszentren. Interessant ist der große Anteil an kreativen, afrikanischen Ladenkonzepten. Der afrikanische Touch darf nicht fehlen und so imitiert man in den Gängen des Centers afrikanische Bazarstände, an denen Schmuck und Kunsthandwerk feilgeboten wird. Dazu gibt es eine Bäckerei nach französischem Vorbild, Cafés, Serviceanbieter, Wellness und den obligatorischen Supermarkt.

Ebenso beliebt ist der „Village Market“ zwischen den Edelstadtteilen Gigiri und Muthaiga. Viele Kenianer haben das entspannte und sichere, wenngleich auch künstliche Ambiente zu schätzen gelernt und sind bereit, dafür auch ein paar mehr kenianische Schillinge auszugeben.

Rund um einen zentralen „Food Plaza“ nach US-Vorbild mit Restaurants und Cafés ranken sich lokale Geschäfte, Banken, Serviceanbieter und Shops mit ethnischer Mode, nachhaltig produzierten Designprodukten und Kunstgalerien. Eine Minigolfanlage, ein Kino und ein Erlebnisbad mit Wasserrutsche zählen zum Einkaufszentrum dazu.

Auch die Supermarktketten in Kenia setzen auf die neue Lust der Kenianer an der Konsumwelt. Allen voran ist der Supermarktbetreiber Nakumatt auf die Konsumenten eingestellt. Eher auf die Discountschiene setzt die Supermarktkette Uchumi, deren Anteil an afrikanischen Produkten und Standardware deutlich größer ist.

Obwohl bislang erst gut 30 Standorte in Kenia bestehen, ist Nakumatt Marktführer im kenianischen Einzelhandelsmarkt und hat bereits in die Nachbarländer Ruanda und Uganda expandiert. Nakumatt setzt in seinen Hypermärkten, Superstores und den ersten kleinflächigen Convenience-Stores erkennbar auf Frische, internationale Marken, aber eben auch auf kenianische Waren und Bio-Produkte. Der Händler will künftig auch die unteren Einkommensklassen der Mittelschicht angehen und neue Shops in vielen Ländern Afrikas eröffnen.

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