Die Krise in der Luftfahrt geht weiter, neue Probleme und neue Herausforderungen stehen an. Der „European Aviation Radar 2013“ zeigt: Steigende Preissensitivität der Verbraucher, Wettbewerbsdruck der Low-Cost-Carrier sowie der Fluggesellschaften aus dem Nahen Osten, strengere Gesetzesauflagen und die Euro-Krise setzen europäische Fluggesellschaften und Flughäfen stark unter Druck.
Wegen der eingeleiteten Maßnahmen erwarten jedoch die Top-Entscheider von 42 führenden europäischen Branchenunternehmen für 2013 eine leicht positivere Geschäftsentwicklung im Vergleich zum Vorjahr. Allerdings rechnen sie auch mit einem weiteren Anstieg der Kerosinpreise und einer schnelleren Marktkonsolidierung.
Roland Berger-Experten identifizieren wesentliche Handlungsfelder für die Luftfahrtbranche, um den Marktwandel erfolgreich zu bestreiten. Außerdem: Neue Kooperationsmodelle zwischen Fluggesellschaften, Flughäfen und Zulieferern, aber auch alternative Erlösmodelle sind notwendig.
Die europäischen Fluggesellschaften und Flughäfen durchleben tiefgreifende Veränderungen
Die steigende Akzeptanz der Low-Cost-Carrier sowie der Fluggesellschaften aus dem Nahen Osten verändern das Wettbewerbsbild. Die hohe Preissensitivität der Privat- und Geschäftskunden wirkt sich negativ auf die Durchschnittserlöse der Fluggesellschaften aus.
Hinzu kommen strengere regulatorische Rahmenbedingungen wie etwa ausgedehnte Nachtflugbeschränkungen oder zusätzliche Sicherheitsvorschriften, die den operativen Betrieb von Fluggesellschaften und Flughäfen in Europa weiter einschränken.
Darauf haben bereits viele Unternehmen aus der Luftfahrtbranche mit umfassenden Effizienz- und Restrukturierungsprogrammen reagiert. Aus diesem Grund schauen sie leicht optimistisch auf das Jahr 2013 im Vergleich zum Vorjahr.
So rechnen sowohl Passagier-Airlines als auch Flughäfen bis Jahresende mit einer steigenden Anzahl der Fluggäste, bleiben aber mit ihrer Wachstumsprognose vorsichtiger als die International Air Transportation Association (IATA).
Lediglich im Cargo-Bereich erwarten die Befragten eine positivere Entwicklung als bei der IATA-Prognose für 2013: So gehen 83 Prozent der Cargo-Anbieter davon aus, dass das Auftragsvolumen in diesem Jahr um mehr als 2,4 Prozent wachsen wird. Doch die Experten warnen vor zu großem Optimismus.
„Was auf den ersten Blick positive Erwartungen weckt, kann größere Risiken bergen, sollten sich der Luftverkehrsmarkt schwach entwickeln oder die Umsetzung der geplanten Maßnahmen verzögern“, erklärt Björn Maul, Partner von Roland Berger Strategy Consultants.
Europäischer Luftverkehrsmarkt steht vor großen Herausforderungen
Die Top-Entscheider sorgen sich vor allem um die Kerosinpreise: 54 Prozent fürchten, dass sie im laufenden Jahr weiter steigen werden. Dies würde die Geschäftsentwicklung der Fluggesellschaften negativ beeinflussen. Außerdem erwartet mehr als ein Drittel der Befragten, dass die asiatischen Märkte langsamer wachsen werden als bisher – mit deutlichen Folgen sowohl für das Passagier- als auch für das Cargo-Geschäft.
Doch auch eine schnellere Marktkonsolidierung (96%), eine stärkere Präsenz der Billig-Airlines (79%) sowie eine weitere Expansion der Golf-Fluggesellschaften nach Europa (88%) könnten den Wettbewerbsdruck deutlich erhöhen.
Eine weitere Hürde für die Marktteilnehmer stellen strengere Vorschriften und Richtlinien in fast allen Geschäftsbereichen der Branche dar. Demnach müssten etwa Flughäfen neue Nachtflugverbote durchsetzen; sowohl Passagier- als auch Cargo-Airlines sind gezwungen, mit ihrer Flotte strengere Lärmschutzvorgaben und kürzere Betriebszeiten einzuhalten – für europäische Marktteilnehmer ein großer Nachteil im globalen Wettbewerb.
Marktteilnehmer mit unterschiedlichen Strategieschwerpunkten
Um einen Ausweg aus dieser schwierigen Marktlage zu finden, will die Luftfahrtbranche auf verschiedene Maßnahmen setzen – allen voran auf ein effizienteres Kostenmanagement. So planen 80 Prozent der Passagier-Airlines, die Kosten entlang der Wertschöpfungskette weiter zu senken, um dem verschärften Wettbewerb und den Treibstoffsteigerungen entgegenzusteuern.
Doch Kostensenkungen allein sind nicht ausreichend: „Die europäischen Passagier-Airlines etwa wollen auf den höheren Wettbewerbsdruck auch mit strategischen Joint-Ventures und mit neuen Pricing-Modellen und Services reagieren“, sagt Roland Berger-Stratege Björn Maul. „Übernahmen in der Branche stehen derzeit nicht im Fokus.“
Cargo-Airlines hingegen sehen die Akquisition neuer Kunden durch eine größere Produktdifferenzierung als wichtiges Ziel, um weiter zu wachsen. Zusätzlich wollen die Marktteilnehmer vor allem ihre Einkaufsprozesse verbessern und generell ihre Effizienz erhöhen.
Flughäfen setzen mehrheitlich darauf, neue Kunden zu gewinnen und Erlöse im Non-Aviation-Bereich – wie zum Beispiel im Geschäft mit Läden, Immobilien und Parkhäusern – weiter auszubauen. Aber auch neue Kooperationsmodelle mit Airlines und wichtigen Lieferanten stehen bei über drei Viertel der Flughäfen auf der Maßnahmenliste.
„Das Wachstum der Fluggesellschaften aus dem Nahen Osten sowie der Billig-Airlines wird die Wettbewerbssituation weiter verändern“, sagt Björn Maul. „Darauf müssen Flughäfen mit strukturellen Änderungen entsprechend reagieren, wenn sie sich weiteres Wachstum für die kommenden Jahre sichern möchten.“
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